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Wie ich es geschafft habe, am 23. Dezember 2003 um 23:58 Uhr mit dem
Rauchen aufzuhören
Ich denke, der Anfang des Rauchens ist bei allen irgendwie gleich. Man ist
jugendlich, will "cool" sein, dazu gehören, erwachsen wirken. So war
es bei mir auch. Am Anfang, so mit etwa 16 Jahren, war es grauenvoll. Aus
Kostengründen haben mein Kumpel und ich die Zigaretten selbst
gedreht. Aber bis wir den richtigen "Dreh" raus hatten, hat es Wochen
gedauert und uns manch mitleidigen Blick eingebracht. Natürlich
schmecken die Zigaretten am Anfang auch nicht. Der beißende Qualm
hat uns nicht nur einmal die Tränen in die Augen getrieben und das
Biest von Lunge hat ebenfalls probiert sich mit einem kräftigen
Husten zu wehren. Aber da mußten wir durch.
Im Laufe der nächsten Zeit haben wir verschiedene Blättchen und
verschiedene Tabaksorten probiert. Unmerklich steigerte sich der
Zigarettenkonsum immer weiter. In dieser Zeit fing es auch an, daß
ich Gründe suchte, um das Rauchen zu rechtfertigen oder mich zu
belohnen. Nach dem Essen, vor einer Prüfung, zu einem Bier, zu guter
Musik oder weil ich gerade alleine war, es gab immer mehr Anlässe
eine Zigarette zu rauchen. Auch während meiner Zeit bei der
Bundeswehr steigerte sich der Konsum noch etwas. Schließlich
pendelte sich mein Verbrauch bei etwa 10 bis 12 Stück pro Tag ein,
an streßreichen Tagen auch etwas mehr.
Natürlich wurde mir im Laufe der Jahre immer mehr bewußt,
daß Rauchen nicht gerade gesund ist. Und so versuchte ich mit etwa
Mitte 20 mit dem Rauchen aufzuhören. Nicht einmal zwei Tage habe ich
durchgehalten, dann hatte ich schon wieder eine Zigarette im Mund. Auch
der zweite Versuch kurz darauf scheiterte. Trotzdem wollte ich
aufhören. Also setzte ich mir ein Ziel. "Wenn ich in Rente komme,
dann habe ich nicht mehr den Streß wie im Berufsleben, und dann
höre ich auf.", sagte ich mir. Auf diese Weise war ich fein raus.
Ich konnte jedem von meinem tollen Ziel erzählen und konnte trotzdem
weiter rauchen. "Außerdem gibt es ja Leute, die 20, 40 oder 60
Zigaretten am Tag rauchen und die sind viel schlimmer dran als ich.",
dachte ich mir.
Mit 29 Jahren habe ich dann meine heutige Frau Martina kennengelernt. Sie
hatte noch nie geraucht und wollte eigentlich auch keinen Mann, der
raucht. Trotzdem heirateten wir und ich habe soweit ich konnte
Rücksicht auf sie genommen. Ich habe nie in unserer Wohnung geraucht,
sondern bin immer auf unsere Terrasse gegangen, auch im Winter. Nur in
meinem Bad (wir haben zwei, sie hat eine eigenes Bad) durfte ich
innerhalb der Wohnung rauchen. Wenn wir mit der Eisenbahn gefahren sind,
dann nur im Nichtraucher-Abteil. Auch während der Autofahrten habe
ich nie geraucht, ich bin immer auf den nächsten Parkplatz
gefahren.
In den nächsten Jahren gab es dann immer wieder Situationen, in denen
ich mich fragte, ob ich wirklich bis zur Rente warten will, um mit dem
Rauchen aufzuhören. Wir ernähren uns bewusst und gesund, essen
viel Obst und Gemüse, legen Wert auf frische Waren und das BIO-Siegel
und irgendwie paßte das Rauchen nicht dazu. Oder wenn wir nach einer
anstrengenden Wanderung den Gipfel erreicht hatten, dann kam ich mir
langsam komisch vor, wenn ich mir in dieser guten Bergluft eine Zigarette
anzündete. Typisch war auch eine Situation bei meinem
Autohändler, bei der ich zu ihm mit brennender Zigarette in meiner
Hand sagte, daß ich gerne ein Diesel-Fahrzeug hätte, aber noch
warten will, bis es eins mit Rußfilter gäbe. Ich hatte auch im
Internet bei einem Test mitgemacht; mit dem Ergebnis, daß ich eher
ein Genußraucher als ein Suchtraucher bin. Der Wunsch
aufzuhören kam also immer wieder hoch, bis zu meinem
Schlüsselerlebnis.
Ich hatte meinen Arbeitsplatz gewechselt und arbeitet seit ein paar Jahren
in der neuen Firma. Eines Tages traf ich meinen früheren
Abteilungsleiter auf dem Firmengelände wieder (auf dem
Firmengelände gibt es mehrere verschiedene Firmen). Er war ebenfalls
Raucher und hat, nachdem unsere alte Firma endgültig zerschlagen
worden war, wieder einen Arbeitsplatz gefunden. Und das mit Ende 50 und
bei hohen Arbeitslosenquoten. Ein paar Tage später hatten wir uns
wieder getroffen und unsere Telefonnummern ausgetauscht. Im Stillen dachte
ich noch, daß er doch schon etwas älter aussieht. Auch,
daß er nach jedem dritten Wort leicht hüstelte war mir nicht
sofort aufgefallen. Zu einem Telefonanruf kam es jedoch nicht mehr. Ein
paar Wochen später habe ich seine Todesanzeige in der Zeitung
gelesen.
In diesem Moment war bei mir ein großer Schalter umgelegt worden.
Wie soll ich denn als Rentner mit dem Rauchen aufhören, wenn ich das
Rentenalter vielleicht gar nicht erreiche? Mein Entschluß stand
jetzt fest und alles wurde genau geplant. An Weihnachten habe ich zwei
Wochen Urlaub und jetzt will ich es wissen. Am Samstag vorher habe ich
trotzdem meine ganz normale Ration Tabak (5 Packungen) und Blättchen
gekauft, sicher ist sicher. Am Dienstag, dem 23.12.2003 um 23:58 habe ich
dann den letzten Zug an einer Zigarette gemacht. Ich war gespannt, ob ich
es diesmal schaffen würde.
Der erste Tag ging eigentlich. Wahrscheinlich hatte ich noch Nikotin in
meinem Körper. Ich habe probiert, den Tag so normal wie möglich
zu verleben. Ich wollte mein Leben oder bestimmte Verhaltensmuster
deswegen nicht ändern, denn sonst hätte ich ein bestimmtes
Verhaltensmuster vielleicht wieder mit dem Rauchen in Verbindung gebracht.
Ich wollte auch keine anderen Hilfsmittel wie Akupunktur, Nikotinpflaster,
Hypnose, Selbsthilfegruppen oder ähnliches verwenden. Nicht einmal
ein Buch habe ich mir zu diesem Thema zugelegt. Auf jeden Fall hat meine
Frau Martina recht schnell mein Vorhaben bemerkt (ich hatte ihr vorher
nichts davon erzählt) und mir jede Unterstützung
zugesichert.
Dann kam der zweite Tag. Der war schon härter. Ich versuchte mir
vorzustellen, in welchen Situationen mein Verlangen nach einer Zigarette
nicht so groß sein würde. Also hörte ich ganz entspannt
meine Lieblingsmusik oder wir machten einen langen Spaziergang. Ich merkte
jetzt, daß in meinem Körper eine innere Uhr tickt. Ich hatte
immer zu bestimmten Uhrzeiten geraucht. Das verlangen nach einer Zigarette
war zu diesen Zeiten besonders stark. Aber schon eine halbe Stunde
später ließ dieses Verlangen wieder nach. Das gab mir Hoffnung.
Ich war jetzt (so wie ein Außenstehender) gespannt, ob ich es
schaffen würde.
Der dritte Tag ging wieder. Ich dachte: "Prima, jetzt hast Du es
geschafft." Der Tag sollte wieder abwechslungsreich gestaltet werden. Ich
hörte Musik, ich las etwas, wir waren spazieren und wir besuchten die
Schwiegereltern. Obwohl ich auch dort immer das gleiche Verhalten hatte,
nach Kaffee und Kuchen bin ich auf deren Balkon gegangen um eine Zigarette
zu rauchen, hat niemand bemerkt, daß ich einfach sitzen bleibe.
Jetzt kam der Hammer. Der vierte Tag war noch schlimmer als der zweite
Tag. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich das durchhalten
will. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, langsam mit dem Rauchen
aufzuhören. Jeden Monat eine Zigarette weniger am Tag.
Dann hätte ich es vielleicht innerhalb eines Jahres geschafft. Ich
war von meinen Selbstzweifeln hin und her gerissen. Aber dann sagte ich
mir: "Auf diesem Weg hast Du schon drei Tage ohne Rauchen geschafft.
Willst Du das, was Du schon erreicht hast, wirklich schon wieder
aufgeben?" Auch wenn es sehr schwer fiel, aber meine Frau machte mir
ebenfalls Mut und so habe ich diesen Tag auch geschafft.
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte war, daß ich das
Schlimmste hinter mir hatte. Jetzt wurde es von Tag zu Tag besser. Das
Verlangen nach einer Zigarette schwand immer mehr. Der morgendliche Husten
verschwand und die Finger verloren auch schon ihre gelbe Färbung. Das
bekräftigte natürlich meinen Willen noch mehr. Nach einer guten
Woche haben wir es dann meiner Mutter und meinen Schwiegereltern
erzählt. Die waren natürlich ganz begeistert. Wir haben den Rest
meines Urlaubs mit viel Ablenkung und vielen Spaziergängen
verbracht.
Auch bei der Arbeit gab es keine Probleme. Langsam hatte ich mich an das
Nichtrauchen gewöhnt. Im Mai fuhren wir in den Urlaub nach
Südtirol, aber auch mit diesem stressigen italienischen Verkehr gab
es keine Probleme. Ich hatte es also geschafft. Nur dieses Gefühl,
das ich während der Inhalation des Rauches hatte, hatte ich noch hin
und wieder, aber nach etwa einem halben Jahr war auch damit Schluß.
Mittlerweile ekelt mich Zigarettenrauch an. Wahrscheinlich muß das
so sein, da ich ja mit dem Rauchen aufhören wollte. Jetzt verstehe
ich auch, warum ehemalige Raucher die stärksten Rauchgegner geworden
sind. Ein Nichtraucher ist relativ neutral, er hat halt einfach noch nie
geraucht. Aber ich habe mich ganz bewußt gegen das Rauchen
entschieden; eine notwendige Einstellung, ohne die ich es wohl nicht
geschafft hätte.
Heute weiß ich, daß man sich als Raucher selbst gerne
belügt. Zigaretten schmecken nicht. Ich weiß das, ich habe 25
Jahre geraucht. Man benutzt das nur als Ausrede, weil man es nicht schafft
damit aufzuhören. Auch das Benutzen von Hilfsmitteln (Bücher,
Akupunktur, Hypnose, Nikotinpflaster, Therapeut) verleitet dazu, einen
Nichterfolg auf das Hilfsmittel zu schieben. Natürlich weiß ich
nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich 60 Zigaretten pro Tag geraucht
hätte. Aber ich kann nur von meiner Erfahrung berichten und kann
anderen Mut machen es auch zu probieren; es geht! Aber man muß es
wollen, vielleicht braucht man auch so ein eindringliches
Schlüsselerlebnis wie ich es hatte.
Mittlerweile sind fast drei Jahre vergangen und ich halte mich nicht
für rückfallgefährdet. Ich bin ruhiger geworden, habe keine
Brandflecken mehr in der Kleidung und meine Frau meint auch, daß ich
nicht mehr nach kaltem Rauch stinke. Da ich während dieser ganzen
Zeit nicht mein Gewicht kontrolliert habe, kann ich dazu keine Aussage
machen. Tatsache ist aber, daß ich ein paar Kilo zuviel habe und
gerade beim Abnehmen bin. Aber das wäre vielleicht Stoff für
einen eigenen Bericht.
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